Deutsche Wespen

Satirezeitschrift des Kaiserreichs - Anno 1868-1888

Auch ein geharnischtes Sonett

Auch ein geharnischtes Sonett

„Vor Jahren war's. Die Freiheit zu erdrücken...“

(Eine satirische Kritik an der deutschen Unterstützung für die russische Unterdrückung Polens)

Erschienen: 1868 in der Satirezeitschrift Hamburger Wespen

Kontext: Das Gedicht reflektiert die Spannungen zwischen Preußen, Österreich und Russland, insbesondere im Hinblick auf die polnischen Aufstände gegen die russische Herrschaft. Die Berliner Wespen kritisieren scharf die damalige Politik Preußens, das sich an der Unterdrückung Polens beteiligt oder zumindest nicht dagegen einsteht. Das Gedicht stellt die deutsche Unterstützung für die russische Herrschaft als schamlos und verräterisch dar und wirft den deutschen Eliten Feigheit und moralisches Versagen vor.

Beschreibung des Gedichts:

Das Gedicht beginnt mit einer Erinnerung an vergangene Kämpfe gegen Unterdrückung und wendet sich dann der aktuellen Situation zu, in der Polen als „blutend Feld“ unter russischer Besatzung leidet. Preußen und Österreich werden hier kritisiert, weil sie entweder mitschuldig an der Unterdrückung sind oder durch Untätigkeit glänzen. In den letzten Zeilen wird ein scharfes Urteil gefällt: Jene, die sich freiwillig am „Schergendienst“ für die russische Unterdrückung beteiligen, verdienen keinen Respekt und sollen verachtet werden.

Text des Gedichts:

Vor Jahren war's. Die Freiheit zu erdrücken,
Zog Oestreich's weißgeröcktes Heer gen Norden,
Und Preußen schlug ihm auf der Elbe Borden
In dienstbefliss'ner Niedertracht die Brücken.

Auf's Neue sch'n wir Freiheitsschwerter zücken,
Ganz Polen ist ein blutend Feld geworden,
Und daß den Russen leichter sei das Morden,
Beut Preußen seinen Arm aus freien Stücken.

Erbärmliches Gelichter! Ohne Muth,
Sich des Jahrhunderts edlem Werk zu weihen,
Doch stets zu Schergendienst parat und gut!

Dem Henker selbst mag man sein Amt verzeihen;
Doch wer ihm handlangt aus Gelüst nach Blut,
Verdient's, daß Männer ihm in's Antlitz speien!

(Quelle: Berliner Wespen, 1868)

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