Deutsche Wespen

Satirezeitschrift des Kaiserreichs - Anno 1868-1888

Der Sozialisten-Doktor

Karikatur: Bismarck als Doktor amputiert die Beine der Freiheit auf dem Bett 'Socialistengesetz'

»Wie ich sehe, ist die Freiheit etwas zu groß, – das wollen wir gleich zu ihrer Zufriedenheit abändern!«

(Bismarck hackt der Freiheit die Beine ab.) Aufschrift auf dem Bett: Socialistengesetz.

Aus: Berliner Wespen, 1878

Erschienen: 15. Oktober 1878

Zeichner: Gustav Heil

Kontext: Das Sozialistengesetz von 1878 verbot sozialdemokratische, sozialistische und kommunistische Vereine, Versammlungen und Schriften. Die Berliner Wespen, die teils der Sozialdemokratie kritisch gegenüberstanden, wandten sich dennoch gegen die Einführung des Sozialistengesetzes. Sie drückten ihre Kritik durch ihren eigenen satirischen Vorschlag für ein Sozialistengesetz aus.

Satirischer Gesetzesvorschlag der Berliner Wespen:

§ 1. Die Reden, welche die Herren Bebel, Hasselmann, Liebknecht, Fritzsche, Bracke und Reinders im Reichstag gehalten haben, werden auf Kosten der verbündeten Regierungen unverändert abgedruckt und jedem Deutschen in’s Haus geschickt.

§ 2. Die Behörden haben Sorge zu tragen, daß den socialistischen, socialdemokratischen und communistischen Reiserednern, wo dieselben eine Versammlung abhalten wollen, zu diesem Zweck eine hinreichend große Lokalität eingeräumt wird, damit sie von möglichst Vielen gehört werden.

§ 3. Die socialdemokratischen Blätter, namentlich die Berliner Freie Presse und der Leipziger Vorwärts, sind auf Kosten der Regierung in den meistbesuchten Restaurants und Bierhallen, wenn erforderlich in mehreren Exemplaren auszulegen.

§ 4. Besonders maßlose Gotteslästerungen und Majestätsbeleidigungen, welche sich in den socialistischen Blättern finden, oder welche in den Versammlungen geäußert worden sind, werden mit einfacher Angabe der Quelle im Reichsanzeiger und in allen Kreisblättern officiell weiterverbreitet und an allen Straßenecken und Säulen affichirt.

Aussagen aus der Reichstagsdebatte:

Abg. Bebel: Meine Herren, es ist schwer, Ihnen zu sagen, was wir Vertreter der Socialdemokratie angesichts dieser Vorlage fühlen. Schon der Beifall, welcher der Verlesung folgte, wird Ihnen gesagt haben, daß es sich hier um eine der grausamsten Regierungsmaßregeln handelt. Ich will nur darauf hinweisen, wie viele Existenzen Sie bedrohen, wenn Sie dies Gesetz annehmen. Zahlreiche Arbeiterführer werden bald außer Brod, ja, gezwungen sein, selbst zu arbeiten. (Bravo!) Most wird bis zum Buchbinden, Fritzsche bis zum Cigarrenarbeiten zurückgetrieben werden! (Ironisches Gelächter.) Meine Herren, nehmen Sie das Gesetz an, und eine Armee von vielleicht hundert brodlos gewordenen Agitatoren wird ihr Haupt erheben!“

(Quelle: Berliner Wespen, Nr. 42, 11. Jahrgang, 18. Oktober 1878)